"Trenne dich nie von deinen Illusionen und Träumen. Wenn sie verschwunden sind, wirst du zwar weiter existieren, aber aufgehört haben, zu leben." - Mark Twain

Dienstag, 21. Juni 2011

Traum-Haft

„Moment mal! Einen Augenblick!“ sagte er. „Hier stimmt doch was nicht!“
Er schaute sich die Umgebung genau an. Auf dem ersten Blick schien alles gleich zu sein, alles so wie immer. Doch als er genauer darüber nachdachte, war alles irgendwie doch anders. Irgendwie unlogisch.
Da fiel es ihm wie Schuppen von den Augen: „Das alles ist gar nicht echt! Das ist ein Traum!“
Von irgendwoher ertönte ein selbstgefälliges Lachen.
„Ach, Unsinn! Das ist doch kein Traum!“ sagte der Traum.
„Aha! ‚sagte der Traum‘! Jetzt hast du dich selbst verraten!“ entgegnete er lauthals.
„Äh… nein, ich meinte eigentlich… Baum. Ich bin ein Baum.“ sagte der Tr… äh… Baum.
„Ach ja?“ Kritisch zog er eine Augenbraue nach oben. „Und wo soll dann dieser Baum sein?“
„Na, dort drüber steht doch einer.“
Tatsächlich stand unweit von ihm entfernt ein Baum. Doch das überzeugte ihn nicht.
„Einer? Wenn du doch der Baum bist, warum redest du von dir selbst in der dritten Person? Warum sagst du nicht einfach ‚Dort drüben stehe ich doch‘… wenn du doch der Baum bist?“
Nach kurzem Überlegen fügte er hinzu: „Und überhaupt: Seit wann können Bäume sprechen? Das ist mir nicht bekannt!“
Ein peinlich berührtes Schweigen. Der Traum hatte seinen Ausführungen nichts zu entgegnen. Es war offensichtlich: Er hatte den Traum überrumpelt.
„Was für ein billiges Plagiat der Wirklichkeit! Wie naiv von dir zu denken, dass ich dein lächerliches Versteckspiel nicht durchschauen würde!“
Er machte eine kurze Pause.
„Hast du wirklich geglaubt, mich damit täuschen zu können?“
Er musste diesen Moment einfach auskosten. Er verhöhnte nun den Traum, der nur noch irgendetwas Unverständliches vor sich hin stammelte. Was für ein Jammerlappen!

Doch dann kam alles anders. Er verstummte. Er spürte, dass sich im Gesicht des Traums ein diabolisches Lächeln breitmachte.
Dann sagte er es: „Nun, wenn du dir so sicher bist, dass das hier alles nur ein Traum ist, warum wachst du dann nicht auf? Warum schlägst du nicht einfach deine Augen auf… wenn alles nur ein Traum ist?“
Er wollte etwas sagen, doch der Traum ließ ihn nicht zu Wort kommen: „Normalerweise wacht man doch immer auf, wenn man erkennt, dass man träumt. Warum wachst du also nicht auf?“
Der Traum machte eine kurze Pause.
„Ich verstehe dich nicht. Den ersten Schritt hast du doch schon gemacht. Du hast erkannt, dass ich ein Traum bin. Nun musst du nur noch zur Realität zurückkehren. Worauf wartest du? Mach mich kalt! Wach auf!“
„Ich… ich kann nicht.“
„Du hast es nicht einmal versucht. Kannst du es nicht oder willst du es nicht?“

Er wusste nicht mehr, was er sagen sollte. Die derzeitige Entwicklung gefiel ihm ganz und gar nicht. Was fiel dem Traum ein, ihn so in Bedrängnis zu bringen? Er hatte kein Recht dazu. Es war eine Ungeheuerlichkeit. Es war sein Traum.
Er entschied sich dazu, das vorangegangene Gespräch und auch seine jetzigen Gedanken aus seinem Bewusstsein zu streichen.


Was war passiert? Ach ja, der Traum wollte ihn für dumm verkaufen. Was für ein Jammerlappen!

4 Kommentare:

  1. Genial!
    Da kann man schon neidisch werden und sich fragen, warum man nicht selbst auf diese Idee(n) gekommen ist. Slammst du vielleicht? Die Texte liessen sich auch problemlos so "verwerten".

    Damian

    AntwortenLöschen
  2. Danke! ;)
    Nein, ich slamme nicht (würde aber gerne mal bei einem Poetry-Slam zuschauen). Von mir aus kannst du das aber gerne "verwursten".

    AntwortenLöschen
  3. Tu das auf jeden Fall! Gibts bestimmt öfters, als du denkst, auch in deiner Nähe - man muss nur suchen...reinen Gewissens könnte ich genau diese Idee so nicht verwursteln. Vielleicht komme ich, irgendwann, wenn ich das hier wieder vergessen habe, selbst auf die Idee, oder benutze sie ausschnittsweise...aber nicht einfach so. ;-)

    Im übrigen habe ich das Gefühl, das man "slamen" wenn schon denn schon nur mit einem "m" schreibt...hmmm...

    Grüsse. ;)

    AntwortenLöschen
  4. Mir passiert es öfter, dass ich weiß, dass ich träume, und trotzdem nicht aufwache...

    AntwortenLöschen